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Prof. Dr. Corinna Herr (Uni Koblenz-Landau): „his voice is that of a man“: Inszenierungen und Rezeption der hohen männlichen Stimme im 18. und frühen 21. Jahrhundert [Vortragsreihe AG Männlichkeiten]

3. Dezember 2021 10:00 12:00

Über 400 Jahre lang wurden zum Zweck der Erhaltung der hohen ‚männlichen’ Stimme in einem nicht geringen Umfang Knaben vor der Pubertät kastriert. Wir haben Zeugnisse über Sängerkastraten im frühen 16. Jahrhundert, ihre Blütezeit ist das späte 17. und das 18. Jahrhundert und der letzte Kastrat, Alessandro Moreschi, starb 1922 im Vatikan. Kastraten traten einerseits in Frauenrollen, aber vor allem auch als die männlichen Heldenfiguren der Barockoper auf. Die Gesangsästhetik ist hier die der gleichhoch sich umschlingenden Stimmen; erst ein Jahrhundert später tritt der Tenor, eine Oktave tiefer singend, als ‚männlicher’ Held auf die Opernbühne.

Kastraten werden einerseits mit Lob überschüttet, andererseits wird die Praxis von Anfang an auch kritisiert. Der primäre Kritikpunkt liegt in der weiblichen Konnotation der hohen Stimme. Während die Verbindung hoch/weiblich, tief/männlich erst im 19. Jahrhundert im Zuge der von Karin Hausen postulierten ‚Polarisierung der Geschlechtscharaktere’ eine bestimmende Gestalt annimmt, kann sie jedoch auf antike Geschlechtervorstellungen zurückgeführt werden. Auf der Bühne ist der Kastrat ein ‚Gott auf Erden’, gesellschaftlich gehört er zur ausgeschlossenen ‚anderen Klasse’ (bereits beim antiken Arzt Galenos als „tri triton“ bezeichnet).

Im Zuge der Renaissance der Barockoper werden seit den 1980er Jahren sog. Countertenöre in Kastratenrollen eingesetzt, die durch Technik die hohen Töne erreichen, die 250 Jahre zuvor durch eine Operation erzielt wurden. Auch hier finden wir Akkoladen und Kritik gleichermaßen. Und auch hier geht es um die Frage der Männlichkeit, so verteidigt im Jahr 2020 ein YouTube-Kommentator den Countertenor Jakub Józef Orliński mit den Worten: „his voice is that of a man“.

Im Vortrag werden Inszenierung und Rezeption der Kastraten und ihrer ‚Erben’ im 20. und 21. Jahrhundert an unterschiedlichen Fallbeispielen genauer untersucht und im Kontext einer Konstruktion von Männlichkeit qua Gesang diskutiert.

Anmeldung bitte bis zum 02. Dezember an anne.tilse@rub.de

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